Es ist gar nicht so einfach, sich nachts bei den Toten zu treffen. Jedem Touristen wird für den Besuch dieses "Nationaldenkmals" staatlicherseits ein Dollar Eintritt abgeknöpft - von wegen, fürs Totenreich bräuchte man nur ein Hemd mit leeren Taschen. Sie lieben diesen Ort: Die Nekropolis ist die bestgepflegte Einrichtung von Havanna, geschrubbt, geharkt, nach Magnolien duftend. Juan schleicht sich in diese riesige katholische Totenstadt, um die afrikanischen Geister seiner Vorfahren zu beschwören.
Sie alle interessiert unter den Grabmälern nur eines: die Alabasterstatue Mutter mit Kind. Der Mond tritt hinter schwarze Wolkenberge, Kerzen flackern. Geheimnisvoll murmelt der Priester seine Formeln, wirft die Muscheln in die Höhe, kaut den Kürbis mit Honig, raschelt mit den sieben Röcken der Puppen.
Und so gespenstisch, wie sich die Gemeinschaft gefunden hat, löst sie sich wieder auf. Wenn er nicht an Wunder glauben würde, hätten die Auseinandersetzungen mit der Realität keinen Sinn, sagt Juan am Morgen nach dieser fiebrigen Nacht.
Die Revolution ist in die Jahre gekommen, Silvester feiert sie ihren Vierzigsten. Zwei Drittel der Kubaner haben nie einen anderen Staatschef als Castro gekannt; "Fidel" nennen sie ihn zwar noch immer, wie ein Familienmitglied. Doch das macht ihn nicht weniger entrückt.
Fidel Castro, 72, beschwört ständig ein Heldentum, das niemanden mehr interessiert. Juan, 27, und seine Freunde schlagen andere Schlachten.
